AHV-Ausbau statt Angstmacherei

Bea Heim, Nationalrätin zum 1. Mai: Die Gewerkschaften stellen die AHV in das Zentrum der diesjährigen Mai-Feiern. Und das aus gutem Grund: Die AHV ist das wichtigste Sozialwerk der Schweiz. Und seit 70 Jahren unter Dauerbeschuss. Seit sie eingeführt wurde, wird ihr der baldige Untergang prophezeit. Gegen alle Fakten und gegen alle Erfahrungen.
Schauen wir uns deshalb einmal mehr die Realität an

Die AHV ist sicher

Die AHV funktioniert nach dem sogenannten Umlageverfahren. Das heisst: die Berufstätigen zahlen die Renten der Pensionierten. Die Angstmacher argumentieren seit je mit der demografischen Entwicklung. Auf den ersten Blick scheint dieses Argument logisch: Die Lebenserwartung stieg seit Einführung der AHV von 67 auf 82 Jahre, die Geburtenrate sank von 2,5 auf 1,5 Kinder. Finanzierten am Anfang 6,5 Erwerbstätigen einen Rentner, sind es heute noch 3,4. Und trotzdem ist die AHV gesund und munter. Das ist kein Wunder, sondern einfach zu erklären: die Schlüssel heissen «Produktivität» und «Erwerbstätigkeit».
Wir alle arbeiten dank technologischem Fortschritt jedes Jahr effizienter. Eine höhere Produktivität bringt höhere Löhne und höhere Löhne bedeuten mehr Beiträge in die Altersvorsorge. Von 1975 bis 2013 stiegen die Löhne von 66 000 Franken auf 106 000 Franken (Gesamtlohnsumme in der Schweiz durch Anzahl Stellen gerechnet). Zudem arbeiten heute viel mehr Menschen in unserem Land. 1975 zahlten 2,8 Millionen Beschäftigte ins Alterswerk ein, 2013 waren es 4,04 Millionen. Damit wird aufgefangen, dass im Verhältnis weniger Beitragszahlende für mehr Pensisonierte aufkommen müssen.
Die AHV stünde noch wesentlich besser da, würden nicht immer wieder gerade Gutbetuchte von der Beitragspflicht entlastet. Nehmen wir die Unternehmenssteuerreform II. Sie beschert der AHV Millionenausfälle. Das jüngste Beispiel für die Aushöhlung der AHV-Pflicht ist das Riesengeschenk an die Bauland-Bauern, das bei Bund und Sozialwerken ein Loch von jährlich 400 Millionen Franken verursacht.

Die AHV ist günstig. Auch für die Jungen.

Seit vierzig Jahren zahlen Arbeitnehmende und Arbeitgeber je 4,2 Lohnprozente in die AHV ein. Erhöht wurde dieser Satz nie. Erst einmal in der AHV-Geschichte wurde ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent erhoben. Das war 1999 und in den kommenden 10 Jahren wird ein weiteres Prozent nötig sein, um die Renten der geburtenstarken Jahrgänge ab 1950 zu finanzieren. Danach geht der Geldbedarf der AHV wieder zurück. Auch der Anteil der AHV-Kosten am Bruttoinlandsprodukt (BIP, das sind alle in der Schweiz erwirtschaften Franken) liegt seit Jahrzehnten konstant bei rund 5 Rappen. Die AHV hat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis: Für eine Rente von 3510 Franken im Monat braucht es 460 000 Franken Lohnbeiträge und Steuern. Für die gleiche Rente in der Privaten Vorsorge müsste fast das Doppelte bezahlt werden, nämlich 810 000 Franken. Auch das ist kein Wunder: von den privaten Vorsorgebeiträgen fliessen jährlich Milliarden von den Versicherten in die Taschen von Aktionären und Vermögensverwaltern. Dazu kommt: die Verwaltungskosten bei der AHV sind viermal kleiner als jene in der privaten Vorsorge.

Die AHV ist für die meisten im Alter die Haupteinnahmequelle

Für zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer ist die AHV das wichtigste Einkommen im Alter. 38 Prozent der Frauen und 19 Prozent der Männer leben sogar ausschliesslich von der AHV-Rente. Nur gerade 22 Prozent der Rentnerinnen und 34 Prozent der Rentner haben eine dritte Säule. Auch wenn sich diese Zahlen künftig mit dem BVG-Obligatorium leicht verschieben könnten, sicher ist das nicht. Denn die Pensionskassen senken ihre Leistungen dramatisch. Höheren Beiträgen steht ein geringerer Umwandlungssatz gegenüber. Dieser bestimmt die Höhe der Renten. In den vergangenen Monaten wurden von grossen Pensionskassen Senkungen des Umwandlungssatzes um bis zu 20 Prozent bekannt gegeben. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Das Fazit aus all diesen Fakten: die AHV ist gesund. Und sie muss weiter gestärkt werden, weil sie günstiger und gerechter als die private Konkurrenz für ein anständiges Leben im Alter sorgen kann – so wie es die Bundesverfassung vorschreibt. Deshalb muss sie auch ausgebaut werden. Die Initiative «AHVplus» will eine Erhöhung der AHV-Leistungen um 10 Prozent für alle heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner. Das sind in absoluten Zahlen monatlich 200 Franken mehr für Alleinstehende und 350 Franken für Ehepaare. Das ist gewiss nicht überrissen und durchaus zu finanzieren.